Berufung

Berufung
I. Zivilprozessordnung:1. Rechtsmittel gegen Urteile erster Instanz (ausgenommen  Versäumnisurteile, gegen die  Einspruch gegeben ist) zwecks erneuter Verhandlung des Rechtsstreites vor dem nächst höheren Gericht (§§ 511–541 ZPO). Der gesamte von der B. betroffene Prozessstoff ist neu zu prüfen und zu beurteilen. Seit dem ZPO-Reformgesetz vom 27.7. 2001 (BGB1 I 1887, 3138) ist nicht mehr der gesamte von der B. betroffene Prozessstoff neu zu prüfen, vielmehr sind die erstinstanzlich festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Vollständigkeit und Richtigkeit der entscheidungserheblichen Feststellung begründen oder die Berücksichtigung neuer Tatsachen zulässig ist (§ 529 I ZPO). Die B. ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszugs die Berufung im Urteil zugelassen hat. Dies geschieht dann, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (Zulassungsberufung, § 511 II ZPO).
- 2. Berufungsgericht für angefochtene amtsgerichtliche Urteile ist das Landgericht, mit Ausnahme der  Familiensachen und Kindschaftssachen, bei denen die B. an das Oberlandesgericht geht; für landgerichtliche Urteile erster Instanz das Oberlandesgericht.
- 3. Einlegung: Die B. ist innerhalb eines Monats nach  Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils durch Einreichung einer von einem Rechtsanwalt unterschriebenen Berufungsschrift beim Berufungsgericht einzulegen (§ 517 ZPO) und innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils zu begründen (§ 520 ZPO). Sie kann verlängert werden. Gegen Fristversäumnis u.U.  Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Neue Tatsachen und  Beweismittel, die im ersten Rechtszug nicht zu Recht zurückgewiesen worden sind, können die Parteien unter einschränkenden Voraussetzungen vorbringen. Wurden sie entgegen einer im ersten Rechtszug gesetzten Frist nicht vorgebracht, sind sie nur zuzulassen, wenn nach der freien Überzeugung des Gerichts ihre Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögern würde oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt, was glaubhaft zu machen ist (§§ 530, 531 ZPO). Wurden sie unter Verletzung der allgemeinen Prozessförderungspflicht nicht rechtzeitig vorgebracht oder mitgeteilt, so sind sie nur zuzulassen, wenn eine Verzögerung des Rechtsstreites nicht eintreten würde oder wenn die Partei das Vorbringen im ersten Rechtszug nicht aus grober Nachlässigkeit unterlassen hat.
- 4. Ein Gesuch um Bewilligung von Prozesskostenhilfe muss für jeden Rechtszug gesondert gestellt werden (§ 119 ZPO).
- 5. Ist die B. zulässig, entscheidet das Gericht im Rahmen der gestellten Anträge neu, kann aber das Urteil erster Instanz i.Allg. nicht zum Nachteil des Berufungsklägers ändern; ausnahmsweise (z.B. bei schweren Verfahrensfehlern) kann es den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils an die erste Instanz zur nochmaligen Verhandlung zurückverweisen.
- 6. Die Kosten der B., bei Erfolg auch die des ganzen Rechtsstreits, trägt die unterliegende Partei.
II. Strafprozessordnung(§§ 312–332a StPO): 1. Gegen die Urteile der Amtsgerichte i.d.R. zulässiges Rechtsmittel, das zur Nachprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht führt. Bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15  Tagessätzen ist die B. nur zulässig, wenn sie angenommen wird (§§ 313, 322a StPO). Das Gleiche gilt bei Freispruch oder Einstellung des Verfahrens, wenn die Staatsanwaltschaft nicht mehr als 30 Tagessätze beantragt hatte. Die B. kann auf einzelne Teile des Urteilsspruches (z.B. Strafhöhe) beschränkt werden.
- 2. Einlegung: Die B. muss innerhalb einer Woche beim Amtsgericht schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Frist beginnt mit Verkündung des Urteils, ausnahmsweise erst mit dessen formeller Zustellung (1) für den bei der Verkündung des Urteils nicht anwesenden Angeklagten; (2) für andere Prozessbeteiligte, die bei der Urteilsverkündung nicht anwesend und auch nicht vertreten waren (z.B.  Nebenkläger).
- 3. B. bewirkt Verhandlung vor der Strafkammer des Landgerichts und hemmt den Eintritt der  Rechtskraft des Urteils. Auf die alleinige B. des Angeklagten hin kann das angefochtene Urteil nicht zu seinem Nachteil geändert werden.
III. Arbeitsgerichtsbarkeit(§§ 64 ff. ArbGG): 1. Rechtsmittel gegen Urteile der  Arbeitsgerichte an das  Landesarbeitsgericht.
- 2. Zulässig: a) Gegen Urteile der Arbeitsgerichte ist nach § 64 ArbGG die B. an das Landesarbeitsgericht statthaft.
- b) In vermögensrechtlichen Streitigkeiten ist die B. nur möglich (§ 64 II): (1) Wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder (2) wenn das Arbeitsgericht die B. zugelassen hat oder (3) in Streitigkeiten über das Bestehen oder die Kündigung von Arbeitsverhältnissen.
- 3. Berufungsfrist beträgt einen Monat seit Zustellung des Urteils und muss innerhalb von zwei Monaten seit Zustellung des Urteils begründet werden.
– (4.) Vertretung durch Rechtsanwälte oder Vertreter von Gewerkschaften oder von Arbeitgebervereinigungen ( Koalition,  Berufsverband) erforderlich (§ 11 II ArbGG,  Arbeitsgerichtsbarkeit).
IV. Verwaltungsgerichtsbarkeit(§§ 124–130b VwGO): 1. Rechtsmittel gegen Urteile der Verwaltungsgerichte an das Oberverwaltungsgericht, wenn sie vom Verwaltungs- oder Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
- 2. Die Berufung ist im Fall der Zulassung durch das Verwaltungsgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht einzulegen. Lässt das Verwaltungsgericht die Berufung nicht zu, ist der Antrag auf Zulassung der Berufung binnen eines Monats nach Zustellung des Urteils beim Verwaltungsgericht zu beantragen; die Zulassungsgründe sind innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des Urteils darzulegen.
- 3. Die B. ist nur zuzulassen, wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist oder grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines Oberverwaltungsgerichts oder des Gemeinsamen Senats der Obersten Bundesgerichtshöfe abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein Verfahrensmangel vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 124 II VwGO).

Lexikon der Economics. 2013.

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